Alte Post

Baugeschichte der Alten Post Einbeck

Die Geschichte der Alten Post in Einbeck beginnt mit einem Feuer. Ohne diesen Großbrand im vorherigen Postamt würde das Postgebäude heute nicht auf dem Grundstück stehen, auf dem es 1911 gebaut worden ist. Welche Rolle dabei zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Versandhauskönig August Stukenbrok spielte, welchen prunkvollen Haupteingang das Kaiserliche Postamt einst hatte und welche Wappen auf der östlichen Nordfassade zu sehen sind? Darum und mehr geht es in diesem Text.

Am 28. Juni 1907 brach im Nachbargebäude der damaligen Post, in der Düker‘schen Holzhandlung, ein Feuer aus. Dieses griff rasch auf das Postamt über, das im Inneren völlig ausbrannte, nur die Außenmauern blieben stehen. Schnell stellte sich nach diesem Großbrand die Frage: Wieder aufbauen? Neu bauen? Dafür muss man wissen, dass die Post damals ihr Haus vom Holzhändler Wesemann seit 1881 nur gemietet hatte. Dieses alte, 1907 abgebrannte Postamt stand ungefähr dort, wo sich heute die Stadtbibliothek befindet, auf der Nordseite der damaligen Bahnhofstraße (seit 1966 Dr.-Friedrich-Uhde-Straße).

Der mit Abstand größte Postkunde im frühen 20. Jahrhundert in Einbeck war der Versandhandel von August Stukenbrok am Ostertor. Der damals bedeutendste Einbecker Unternehmer wollte lieber nichts dem Zufall überlassen, war doch die Post für ihn von großer Bedeutung. Das Unternehmen des Fahrradhändlers stand damals in seiner boomenden Blüte, zog 1908 ins erweiterte Werks- und Verwaltungsgebäude mit Glockenturm am Ostertor (heute Neues Rathaus).

Die alte Post vor 1911. Quelle: Archiv Rudloff
Die alte Post vor 1911. Quelle: Archiv Rudloff

1905 gab es im Einbecker Postamt rund 1,5 Millionen ein- und ausgehende Postsendungen pro Jahr. Das war ein mehr als doppelt so hohes Aufkommen wie in Nachbarstädten. Verantwortlich dafür war Stukenbrok. 1907 verschickte er eine halbe Million Kataloge, wenig später stieg die Zahl der Kataloge auf mehr als eine Million Stück. Stukenbrok hatte also ein großes praktisches Interesse, dass die Post in der Nähe seines Unternehmenssitzes blieb.

Und so hatte der Unternehmer gleich nach dem Brand des alten Postamts alle umliegenden Grundstücke aufgekauft. Doch die Postverwaltung entschied sich für einen anderen Standort. Stukenbrok erwarb kurzerhand auch dieses Grundstück und schenkte es dem Staat. Für das vorher gekaufte, gegenüber liegende  Grundstück fand er auch eine Verwendung: Er ließ dort einen Park anlegen und machte den „Stukenbrokpark“ der Stadt anlässlich seiner Ernennung zum Kommerzienrat im September 1913 zum Geschenk. Ganz uneigennützig war der Versandhauskönig dabei nicht. Er ließ bei der Schenkung die Bedingung eintragen, dass der Park nie bebaut werden dürfe. Und so ist der Blick von der Bahnhofstraße von der Post auf das Versandhaus Stukenbrok bzw. heute das Neue Rathaus unverbaut geblieben.

Im Januar 1908 begann die Reichspost mit den Planungen für den Neubau auf der südlichen Seite der Bahnhofstraße auf einem 2500 Quadratmeter großen Grundstück an der Ecke zur heutigen Sertürnerstraße (früher Molkereistraße, benannt nach der bis 1969 auf dem Grundstück der heutigen Volksbank befindlichen Molkerei). Leider ist nicht bekannt, welcher Architekt den stattlichen Neubau damals plante. In den Akten ist lediglich der Name eines Kaiserlichen Regierungsbaumeisters als örtlicher Bauleiter zu finden.

Alte Post Luftbild 1960er Jahre. Quelle: Stadtarchiv Einbeck/Hamburger Aero Lloyd GmbH, Hbg.
Alte Post Luftbild 1960er Jahre. Quelle: Stadtarchiv Einbeck/Hamburger Aero Lloyd GmbH, Hbg.

Es muss Probleme mit dem Tempo des Bauablaufs gegeben haben, denn in der Bauakte findet sich ein Schreiben vom 24. Juni 1909, in dem der Bauherr geänderte Baupläne an die Stadt überreicht und um zügige Genehmigung bittet, „mit dem Ausschachten der Baugrube und dem Anlegen der Fundamente sofort beginnen zu dürfen“.

Mit seinen vorspringenden Gebäudeteilen in der Mitte und an den Seiten versuchte der wilhelminische Prunkbau der Straße einen urbanen Charakter zu verleihen, schreibt Oberkonservator Dr. Thomas Kellmann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Weil aber dafür das städtebauliche Umfeld fehlte, weit und breit gab es zunächst keine anderen Gebäude, wurde der Bau mit dem übergiebelten und von vieleckigen Türmen flankierten Hauptportal diagonal auf die Straßenecke bezogen. An der Ecke wurde der Bau zwei Meter von der Grundstücksgrenze verschoben, weil „der Bau ein großer monumentaler Eckbau ist“, wie es am 27. Mai 1908 in einem Schreiben in der Bauakte betont wurde. Im Mai 1909 konnte sich die Post mit der Stadt über Einzelheiten zum Bauzaun einigen, die Arbeiten konnten beginnen.

Die Bauarbeiten dauerten etwa zwei Jahre. Am 31. März 1911 nahm die Einbecker Post den Betrieb in ihrem neuen Gebäude auf. Entstanden war ein Postgebäude im Baustil des Historismus mit einem hohen Dachreiter mit Außengalerie über dem Mittelrisalit, flankiert von zwei Ecktürmen mit Haubendächern. Markant über dem Haupteingang war der Schriftzug „Kaiserliches Postamt“ sowie darüber das kaiserliche Wappenschild. Auf der Nordfassade sind vier Wappen zu sehen, von links das der Stadt Einbeck, der Stadt Dassel, der Provinz Preußen und von Calenberg-Grubenhagen.

Alte Post Neuer Eingang 1962. Quelle: Stadtarchiv Einbeck / Fotograf unbekannt
Alte Post Neuer Eingang 1962. Quelle: Stadtarchiv Einbeck / Fotograf unbekannt

1960/62 wurde der Haupteingang massiv verändert. Die große Außentreppe mit Balustrade wurde abgebrochen und durch eine moderne Stahlkonstruktion mit Glasfüllung ersetzt. Rund zehn Jahre später folgte die nächste bauliche Veränderung am Eingang. Die vorhandene Windfangkonstruktion mit massiver Treppenanlage „soll abgebrochen werden, da der Eingang nicht mehr betriebssicher ist“, wie es in einer Baubeschreibung vom 8. März 1971 in der Bauakte heißt. Stattdessen entstand „eine Windfangkonstruktion aus Stahlbetonfertigteilen, sichtbare Flächen in Waschbeton, mit eingebauten Fernsprechzellen“. Diese prägte über Jahrzehnte den Eingang des Postgebäudes bis zum Ende des Postbetriebes 2018.

©Frank Bertram 2021

Quellen:

Stadtarchiv Einbeck, Akte 922-28

Stadt Einbeck, Bauakte Postgebäude

Thomas Kellmann: Baudenkmale in Niedersachsen 7.3, Stadt Einbeck, S. 551 f.

Archiv Wolfgang Kampa


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